Immigration: Blick in die Glaskugel.
By Maxim Pouska
Mit Sicherheit kann gesagt werden: Nach Kanada einzuwandern wird komplizierter und teurer. Ebenfalls sicher sind die ununterbrochenen Veränderungen der Bedingungen zur Einwanderung, entweder vom Ministerium Citizenship and Immigration Canada (CIC) oder den zuständigen Ministerien der Provinzen als Gesetze vorgeschlagen und von den Parlamenten in Kraft gesetzt. Dabei sind Anpassungen von Vorschriften oft nicht vom Parlament zu bestätigen – haben aber entscheidende Auswirkung auf die Chance zur Einwanderung.
Auf der einen Seite braucht Kanada Einwanderer, auf der anderen Seite will die derzeitige kanadische Regierung unter Premierminister Stephen Harper in den kommenden Jahren das Staatsdefizit drastisch um viele Milliarden Dollars reduzieren. Von den Kürzungen der Gelder wird natürlich auch CIC betroffen sein. Wie CIC mit der Kürzung von Geldmittel umgehen wird, das ist noch das Geheimnis des Ministers Jason Kenney. Als eine Möglichkeit kann die erfolgte Verlegung der Prüfung der Medizintests von Wien in die Hauptstadt Englands und des Vereinigten Königreiches, London, bezeichnet werden. Damit wurden Stellen eingespart und die Frage ist, wo werden weitere Stellen eingespart? Werden eventuell die Einwanderungsbüros in Berlin und Wien ebenfalls nach London verlegt? Was kann noch eingespart werden? Wie steht es mit der Sprachförderung der Einwanderer in Kanada? Die kostet sehr viel Geld.
Fordern die zukünftigen Vorschriften, dass der Einwanderer zwingend die Resultate eines Sprachtests (IELTS oder TEF) vorzulegen hat, um eine Arbeitserlaubnis (Work Permit) beziehungsweise das Permanent Resident Visa zu erhalten, dann kann sich Kanada die Sprachförderung sparen. Das ist sehr pessimistisch gesehen, aber die konservative Regierung, die gerade die Wahl gewonnen hat, will mit allen Mitteln sparen und das werden auch Einwanderer zu spüren bekommen. Die politischen Machtverhältnisse in Kanada sind immer schon ein entscheidender Faktor der Finanz- und Einwanderungspolitik gewesen. Jean Chrétien, früherer kanadischer Premierminister, kürzte 1995 drastisch die Gelder für das Programm „Canada Health and Social Transfer“, was zu enormen Problemen in den Provinzen führte. Alle damaligen Proteste der Provinzen nützten nichts. Genauso kann heute Stephen Harper als derzeitig amtierende Premierminister handeln.
Hudson's Bay Men & Mounties CANADA 1926
Alle Politiker wollen immer nur das Allerbeste für Kanada – natürlich auch für Einwanderer. Auf der Suche nach einer Lösung befinden sie sich aber seit dem neuen Einwanderungsgesetz von 2002 in einem Dilemma, einer Zwickmühle oder einer „Catch-22“ Situation – wie man in Nordamerika sagt (siehe Wikipedia). Seit die Konservativen ab 2006 die Regierung stellt, ist das nicht anders. Das Programm zur Einwanderung wurde seit 2006 von CIC oft im sechs Monate Rhythmus in den Details verändert, um den wirtschaftlichen Anforderungen angepasst zu werden. Die Provinzen reagierten entsprechend und ändern die „Provincial Nominee* Programs“ (* von der Provinz ausgewählter Einwanderer) laufend, sodass man praktisch alle drei Monate Änderungen in dem einen oder anderem Einwanderungsprogramm erlebte. Zu beachten ist auch, dass jede Provinz ein eigenes Programm hat, das sich oft stark vom Programm der angrenzenden Provinzen unterscheidet. Was in der einen Provinz ein Weg zur Einwanderung ist, das ist in der anderen Provinz nicht möglich – es gibt dort diesen Weg nicht.
Bei den nun in der Planungsphase anvisierten Zielen ist das auch wieder so. Als Beispiel der Wunsch, dass mehr jüngere Einwanderer kommen sollen. Haben jüngere Einwanderer im Alter um 22 Jahre überhaupt eine Chance, wenn sie qualifizierte Facharbeiter und nicht Studenten an Universitäten sind? Der Beruf Werkzeugmacher (Tool-and-Die Makers) steht derzeit auf keiner der Listen der gesuchten Berufe. Hinzu kommt, der Beruf steht in einigen Provinzen heute auf der Liste der lizenzierten Berufe (Certificate of Qualification for Tool and Die Making). Ein Einwanderer hat das Red Seal Examen oder eine erneute Lehre in Kanada zu machen hat, um in diesen Beruf arbeiten zu können. Das kostet extra Geld! Nächste Frage: Konnte der oder die Facharbeiter/in bereits genug Geld ansparen, um finanziellen Hürden zu bewältigen? Die wichtigste Frage: Kann diese Fachkraft oder jede andere Fachkraft in diesem Alter eines Tages ein erfolgreicher Unternehmer sein?
In welchem Alter kann man frühestens einwandern? Was ist genug Geld? Wie viel muss angespart sein, wenn man nicht direkt einen Jobvertrag hat? Erhält man vor der Übersiedlung einen Jobvertrag, wenn man erst als Permanent Resident (PR) landen will und nicht mit einem Work Permit als Gastarbeiter?
Die letzte Frage ist am einfachsten zu beantworten. Durch Gesetzesänderungen in den Provinzen ist dieser Weg sehr schwierig geworden. Die Arbeitgeber sind heute sehr selten bereit sich darauf einzulassen. Sie sagen in der Regel, wenn Du mit PR gelandet bist, dann komme wieder vorbei. Achtung – keiner sollte ein Visum der Sonderprogramme für junge Leute mit einem Permanent Residence Visa verwechseln. Es wird immer wieder berichtet, dass ein Visum der Sonderprogramme (International Experience Canada initiative) in eine Sackgasse führt – man also wieder nach Europa zurück muss. Ausnahmen gibt es, sie sind aber nicht die Regel. Das hängt auch wieder von dem Programm für Nominees der einzelnen Provinzen ab. Das hat jeder genau zu recherchieren, da es sich ändern kann.
Das Mindestalter für junge Leute errechnet sich aus: Hauptschulabschluss mit 16 Jahren, plus Ausbildung von 3,5 Jahren, plus 1 bis 2 Jahre Berufserfahrung in Vollzeit, was ein Alter von circa 21 bis 22 Jahre ergibt. Aber kann dieser junge Mensch in der Zeit rund 15.000 bis 20.000 kanadische Dollars ansparen, um die Kosten der Einwanderung zu meistern? Das sind geschätzt rund 10.000 bis 15.000 Euros. Bei einem derzeitigen Durchschnittsgehalt von Brutto 2.000 Euro und Netto rund 1.300 Euro in jungen Jahren im Beruf Werkzeugmacher ist das kaum möglich. Also eine Catch-22 Situation, wenn der Would-be Immigrant nicht wohlhabende und ihn unterstützende Eltern oder Verwandte hat.
Die wichtigste Frage für CIC und den Ministerien in den Provinzen ist aber sicherlich: Kann dieser junge Mensch, ohne Abitur und Universität Diplom, am besten ein Master, überhaupt je ein erfolgreicher Unternehmer werden? Die Antwort ist: Klar, er kann das werden. Wer es nicht glaubt, der lese bitte die Biografie von Frank Stronach. Stronach war 1954 erst 22 (!) Jahre alt und hatte 200 kanadischen Dollars in der Tasche, als er in Kanada landete. Beim damaligen Umrechnungskurs von circa 1 Dollar gleich 4 Deutsche Mark hatte er also 800 DM gespart, plus die Reisekosten. Der Verdienst eines Industriefacharbeiters in Deutschland betrug 1954 im Durchschnitt rund 600 DM pro Monat. Das heißt, Stronach brauchte nur maximal zwei Bruttomonatsgehälter zu sparen, da er als Werkzeugmacher überdurchschnittlich verdiente – das auch noch in der Schweiz. Heute muss ein junger Mann oder eine junge Frau rund fünf bis sieben Bruttomonatsgehälter gespart haben – in der Zukunft sicherlich noch mehr. Stronach landete auch direkt als Permanent Resident und nicht als zeitweilig geduldeter Gastarbeiter mit einem Work Permit. Der gesamte bürokratische Vorgang war damals noch sehr unkompliziert. Stronach wurde erfolgreicher Unternehmer und Milliardär. OK, es waren andere Zeiten. Ja, ja – in der guten alten Zeit war tatsächlich alles einfacher.
Das obige Beispiel steht praktisch für alle jungen Menschen mit einer qualifizierten Ausbildung – ohne Studium – und unabhängig davon, in welchem Beruf sie die Ausbildung erfolgreich absolvierten, denn sie alle sind durch diese Catch-22 Situation benachteiligt.
Die nun in der Planungsphase diskutierten Vorschläge des Ministeriums CIC, der Vertreter der Provinzen und vieler anderen Vereinigungen soll alles Verbessern und Nachteile für diverse Einwanderungsgruppen beheben. Beim Blick in die „Glaskugel“ kann man aber bereits voraussagen, dass sich die Catch-22 Situation durch die neuen Gesetze und Verordnungen nur von einer Gruppe auf andere Gruppen verschieben wird. Wobei aber nicht sicher ist, dass die meisten Gruppen, nicht alle, der Einwanderungswilligen weiterhin in einer Catch-22 Situation bleiben werden.
Fazit
Die Einwanderung nach Kanada ist nicht mehr so einfach, wie in früheren Zeiten. Erzählt Ihnen ein Bekannter, Freund oder Verwandter: „Du brauchst kein Englisch oder nur sehr wenig zu können. Du brauchst nur dies und das zu tun.“, dann war das in der guten alten Zeit – nun lange vorbei – möglich. Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Einwanderung steigen heute mit der Sprachkenntnis von Englisch oder/und Französisch. Anders gesagt: Je schlechter Sie eine der kanadischen Sprachen können, so geringer sind Ihre Möglichkeiten, erfolgreich einzuwandern.
Seien Sie flexibel in Ihrer Planung zur Einwanderung. Halten Sie nicht hartnäckig an Ihrem ersten Plan fest, wenn ein zweiter oder dritter Plan auftaucht, der die Einwanderung leichter ermöglicht. „Mit dem Kopf durch die Wand“, wie man so sagt, werden Sie weniger erreichen, als wenn Sie flexibel auf die Änderungen der Einwanderungsprogramme reagieren.
Informieren Sie sich und nutzen Sie dazu alle Quellen, die sich Ihnen anbieten. Bedenken Sie dabei aber: Die Änderungen der Programme zur Einwanderung erfolgt fast immer über „Nacht“ und ohne Vorankündigungen. Nicht jeder liest oder erhält täglich die Nachrichten von CIC oder aus den Provinzen und ist darum so gut informiert, dass er oder sie Ihnen die aktuell richtige Information geben kann.
Die neuesten Änderungen der Bedingungen und Anforderungen hören sich gut an und sind auf dem Papier fein geschrieben. Wie die Erfahrung des letzten Jahrzehnts aber zeigte: Manche gut gemeinten Verbesserungen der Einwanderungsprogramme war ein Flop, führte in ein Fiasko oder entwickelte sich zu einem Skandal. Der „gute Wille“ (Immanuel Kant) ist selbstverständlich bei den Politikern und Bürokraten vorhanden, wenn sie das Einwanderungsgesetz ändern, um es besser zu machen. Aber wie der Volksmund sagt: „Irren ist menschlich“ oder „Nobody is perfekt“. Also bleiben Sie als Would-be Immigrant optimistisch und suchen sich zur Einwanderung einen der vielen Wege nach Kanada aus.
Der Text ist im aktuellen Magazin "International Family & Home", S. 24 ff. in Deutsch und Englisch veröffentlicht.
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