Donnerstag, Oktober 12, 2006

Leseprobe - Arbeiten im Traumland Kanada

Hallo,

hier mal eine Leseprobe aus dem Buch. Auf den Webseiten der Online-Händler steht ja wenig - weil die das so wollen.

Vorwort

„Sicher ist es unmöglich, ein treffendes Buch zu schreiben, das den gesamten Vorgang der Planung der Auswanderung bis zum endgültigen Vollzug beschreibt und dass das Ende des „Kulturschocks“ nach dem Einleben schildert. Wäre aber dennoch toll, wenn es so was gäbe.“

Der Wunsch eines Mitglieds in einem deutschsprachigen Forum ist realisierbar, aber wer will dann schon ein Buch mit weit über 1.500 Seiten lesen?

Mein erstes Buch zum Thema Auswandern nach Kanada hatte 300 Seiten und war mit Informationen voll gepackt. Das Resultat war, dass mir öfters per Email geschrieben wurde, dass man „den Wald vor lauter Bäume nicht sähe“. Das schrieben Investoren, Arbeitnehmer und ebenfalls Selbständige, denen ich dann antwortete und schrieb auf welcher Seite des Buches die gesuchte Information stand. Das ist der entscheidende Grund, warum ich diesmal einige Informationen mehrfach wiederhole. Es ist mir wichtig, dass Leser die betreffende Information beim x-ten Mal tatsächlich begreifen, wenn sie diese beim ersten Mal überlesen sollten.

Eine Anfrage von Silke:
„… ich muss jetzt unbedingt mal etwas loswerden: Seitdem wir uns mit der Idee rumschlagen nach Kanada auszuwandern (und das geht jetzt immerhin auch schon ca. 3 Jahre), verfolge ich (wenn auch meist passiv) aufmerksam die meisten Beiträge in verschiedenen Kanadaforen, habe uns die auftreibbaren Bücher zum Thema besorgt, die „Kanada aktuell“ abonniert...und und und. Nur das, was uns am meisten interessiert und vor allem beunruhigt, ndet man irgendwie nirgends.

Haben eigentlich alle, die nach Kanada gehen, Unmengen von Geld im background??? Wandern denn alle ein, auch die ursprünglichen „Skilled Worker“, um sich letztlich mit mehr oder weniger gewinnbringenden Modellen selbständig zu machen - und anscheinend in erster Linie die „Blockhausromantik“ zu genießen??? Geld spielt irgendwie keine Rolle? Das glaube ich einfach nicht!


Es muss doch auch Auswanderer geben, die sich einen akzeptablen „normalen“ Job gesucht haben, der irgendeine Ähnlichkeit mit dem hat, den sie einst in Deutschland ausgeübt haben... Oder von mir aus halt auch Leute, die an diesem Vorhaben gescheitert sind! Wo sind die alle bitte? Solche Erfahrungsberichte ndet man leider nirgends...

Ist dieser Plan denn dermaßen abwegig, dass nur wir daran glauben???“

Dieser Text von Silke, als Frage in einem Forum gefunden, zeigt ein Dilemma bei der Berichterstattung über Kanada auf. In der Presse werden diese Klischees gepegt. Das Magazin Geo sucht natürlich den am weitesten in der Wildnis lebenden Bergbauern und auch der Stern wählt einen Farmer aus, wenn es um Kanada geht. Die Fernsehsender folgten auf dem Fuß mit Berichten über Unternehmer oder sonstigen sonderbaren emotionalen Stories in Minutenlänge. Der Normfall eines Angestellten ist den Redaktionen einfach zu „normal“, als das sie darüber berichten.

Ebenso haben anscheinend nur die von Silke aufgezählten Einwanderer Zeit und Lust über ihre Erfahrungen im Internet zu berichten. Der eingereiste Arbeitnehmer hat sich womöglich so gut etabliert, dass er keinen Grund sieht viele Gedanken an Deutschland zu verschwenden und darum lieber das neue Leben genießt. Ein anderer Grund des Schweigens könnte sei: Er ist so frustriert, dass er über seine negativen Erfahrungen nicht sprechen will - vor allem nicht in der Öffentlichkeit. „Wir wollen nur sehr ungern darüber sprechen, da sie alte Wunden aufreissen und es in der Seele schmerzt, wenn wir darüber sprechen sollen“, schrieb mir jemand, der sich in einigen Foren über diese negative Seite der Einwanderung äußerte.

Im Zeitalter des Internets, der leichten Verbreitung von Nachrichten, Reise- oder Erfahrungsberichten sind Einwanderer und auch Zeitarbeiter / Temporary Worker sehr gerne bereit die ersten Schritte ihrer Reise mitzuteilen. Allerdings verstummen sie oft, wenn die Schwierigkeiten einsetzen. Das hat einmal den Grund, dass sie dann so hart zu arbeiten und zu kämpfen haben, und darum keine Zeit für das Schreiben über ihre aktuellen Erfahrungen haben. Ein anderes Motiv mag sein, dass ihr Traum nicht so Realität wurde, wie sie es zu Hause träumten. Denen zu Hause will man vorerst nichts über die tatsächlichen Probleme mitteilen. Ebenso erzählt man nicht gerne den Gästen, die nach Kanada kommen, die volle Wahrheit. Die erzählen auch Kanadier nicht den Besuchern, denn sie sind ja so „nett und freundlich“, dass sie diese Seite der Münze lieber verschweigen, wie von falsch informierten Immigranten berichtet wurde.

Es geht mir nicht um die romantische Verklärung Kanadas, seiner Landschaft, seiner Farmen, Pferdezüchter, B & B Besitzer und erfolgreichen Unternehmen, sondern um die Realität, mit der 98 Prozent der Einwanderer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz konfrontiert werden. Diese 98 Prozent sind Arbeitnehmer im weitesten Sinne, die sich ihren Lebensunterhalt im neuem Land verdienen müssen.

Es ist mir klar, dass ich nicht für alle Fragen von Immigranten eine Antwort habe, aber ich versuche die wichtigsten Fragen, die am beständigsten gestellt werden, zu beantworten. Unerlässlich wird aber immer die eigene Recherche des Einwanderers und Zeitarbeiters sein, da jeder von ihnen eine eigene Geschichte hat, was seine Motivation zur Auswanderung betrifft. Darum sind entsprechende Hinweise für weitere Recherchen ein relevanter Bestandteil des Buches.

Meine Kommentare zu den verschiedenen Punkten sind subjektive Meinungen, die keinen Anspruch darauf erheben, richtig zu sein. Ich kann mich in der Beurteilung von Umständen und Situationen irren. Das ist umso leichter möglich, als mir nie alle Hintergründe der Erfahrung des betreffenden Einwanderers oder Zeitarbeiters bekannt sind. Sie sollten deshalb nur als eine Meinung unter vielen anderen angesehen werden.


BEMERKUNG

Was heutige Auswanderer aus Europa von früheren Emigranten unterscheidet ist die tatsächliche existenzielle Not und Bedrohung der damaligen Auswanderer. Ob es sich um Verfolgung, Vertreibung oder Hungersnöte handelte, es ging für die meisten dieser Menschen ums Ganze und die Zukunft ihrer Familien und Kinder.

Heutigen Auswanderern aus Europa geht es oft nur um eine schöne Landschaft, wenn sie als Ziel
Vancouver, die Rocky Montains oder die Atlantikküste von Nova Scotia anstreben. Oder es geht
einfach nur um einen Jobwechsel. Diese Gründe sind aber selten kraftvoll genug und ausreichend, um die sich vor jedem Auswanderer oder Zeitarbeiter auftürmenden Probleme zu bewältigen.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Belastung für den mitziehenden Partner. Wer wild entschlossen ist um jeden Preis nach Kanada auszuwandern, der braucht an seiner Seite einen ebenso starken Partner.

Dazu ein Text von John Steinbeck aus dem Buch „Früchte des Zorns“ (THE GRAPES OF WRATH), eine Geschichte von Auswanderern und ihre erzwungene Weiterwanderung:

… Und die Frauen kamen aus den Häusern und stellten sich neben ihre Männer und versuchten herauszuspüren, ob diesmal die Männer zusammenbrechen würden. Die Frauen forschten heimlich in den Gesichtern der Männer, denn das Korn mochte verderben, solange noch etwas anderes blieb. Die Kinder standen daneben und zeichneten mit ihren nackten Zehen Figuren in den Staub und versuchten mit tastenden Sinnen zu ergründen, ob die Männer und Frauen zusammenbrechen würden.

Die Kinder blinzelten auf zu den Gesichtern der Männer und Frauen und zeichneten mit ihren Zehen bedächtig Linien in den Staub. Die Pferde kamen zu den Wassertrögen und schnaubten, um den Staub vom Wasser zu vertreiben. Nach einer Weile wich der Ausdruck trunkener Bestürzung aus den Gesichtern der Männer, und sie wurden hart und zornig und entschlossen. Da wußten die Frauen, daß sie gerettet waren und daß kein Zusammenbruch kommen würde. Dann fragten sie: Was tun wir nun? Und die Männer antworteten: Ich weiß nicht. Aber es war alles gut. Die Frauen wußten, daß alles gut war, und die Kinder wußten, daß alles gut war. In ihrem tiefsten Innern wußten die Frauen und Kinder, daß ein Unglück nicht zu schwer zu ertragen war, wenn ihre Männer unversehrt blieben.


Die Frauen gingen in die Häuser an ihre Arbeit, und die Kinder begannen zu spielen …


Ein Zitat von A. E. Johann - Von ihm stammen die besten und ehrlichsten Berichte über Einwanderer in Kanada aus den Zwanzigern und Dreißigern des letzten Jahrhunderts. Er lebte und arbeitete dort 1927 - 1928 für ein Jahr, als Landarbeiter, Holzfäller, Unternehmer, Journalist und in vielen weiteren Berufen. Danach kam er nach Berlin zurück und schrieb das Buch „Mit 20 Dollar in den Wilden Westen“, 1928, im Verlag Ullstein. Seine Beschreibung hat auch heute noch für viele Gültigkeit. Er spricht zwar von Landarbeitern und Holzfällern, seine Erfahrung gilt aber heute für jeden, der mit einem „Contract“ beschäftigt ist - es ist immer nur eine Zeitarbeit! Aus dem Kapitel 30:

30. Hungern, betteln, frieren!
„Vancouver, diese unvergeßliche, unvergleichliche, brodelnde Stadt, zog mich bald in einen bunten Strudel mannigfacher Schicksale, Gestalten, Erlebnisse. …

Bevor ich jedoch dem Reigen lustiger und trauriger Figuren freien Lauf lasse, sei mir gestattet, in diesem durchaus ernstgemeinten Kapitel von dem Winterelend unter den Emigranten zu sprechen, damit nicht etwa jemand auf den Gedanken kommt, das Auswandern sei eine vergnügliche, abenteuerreiche Sache, die weiter nichts als Spaß im Gefolge habe. Dieser Unsinn hat schon Unheil genug angerichtet, und es wäre nur zu gut, wenn diese Zeilen von allzu schnellen Entschlüssen abschreckten,statt sie zu begünstigen.

... Wenn die Ernte vorüber ist, sei es, daß plötzlicher Schneefall sie unterbricht, sei es, daß die letzte Garbe eingefahren ist, beginnt eine böse Zeit, in der die Arbeit knapp wird, die eisigen Winterstürme ein warmes Haus und warme Kleidung unentbehrlich machen und die Not bei all denen ihren Einzug hält, die keine feste Stellung ihr eigen nennen. Der Farmer, der im Sommer drei Knechte brauchte, gewährt jetzt nur noch einem Beschäftigung oder verrichtet die geringe Winterarbeit in Stall und Hof allein. Die Sägemühlen im Gebirge stellen den Betrieb ein, sobald sie die Blöcke, die ihnen die Flüsse noch vor dem Frost zuführten, aufgeschnitten haben. Zu Tausenden drängen sich die arbeitslosen Männer vom Lande in die Städte. Die wenigen, die zuerst eintreffen, schnappen die freien Stellen fort, und die weitaus überwiegende Mehrheit aller späteren liegt auf der Straße.
...
Eines der Zentren, in denen im Winter zu Tausenden die arbeitslosen Männer usammenlaufen, ist Vancouver; in der Gesamtzahl der rund 10.000 Arbeitslosen mochten etwa 500 Deutsche enthalten sein, eine an kanadischen Verhältnissen gemessen riesengroße Zahl. Die Deutschen setzten sich fast ausnahmslos aus Leuten zusammen, die erst im Laufe des Jahres hereingekommen waren, noch wenig oder gar kein Englisch zu sprechen verstanden und sich nun völlig hilos in der großen, amerikanisch-eberhaft hastenden Stadt treiben ließen. Vielen von ihnen schien die wochen-, ja monatelange Untätigkeit, das Herumsitzen in den schmierigen, chinesischen Hotels das Mark aus den Knochen gesogen zu haben.


Unfähig zu jedem Entschluß, allen Einüssen wehrlos ausgeliefert, verzehrten sie mit einer Art von verzweifeltem Stumpfsinn jeden Tag ihre 1,50 Dollar und konnten sich an den Fingern ausrechnen, wie lange sie dieses Leben fortzusetzen imstande sein würden und wann der Hunger und die Obdachlosigkeit an ihre Tür klopfen würde.“

Maxim Pouska
Sommer 2006


Das als Leseprobe - Die damaligen Berichte des Jourmalisten A. E. Johann - der ja kein Einwanderer war, da er ja wieder nach Deutschland zurück wollte - sind mit das Beste, was über Einwanderung nach Kanada geschrieben wurde. Die Bücher von Einwanderern sind doch immer sehr persöhnliche Erfahrungen, oft beschreiben sie eine Situation, die nicht über den eigenen "Kirchturm" hinausreicht.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich war selbst ein Jahr in Nordamerika USA south carolina als Industriearbeiter bei Automobilzulieferer Tätig.
Eine Antwort auf die Frage warum Wandert jemand aus welchen Gründen z.b. nach Kanada aus ist genau zu analysieren. Meine meinung ist das es im Raubtierkapitalismus kaum noch flecken gibt die es wert sind dorthin zu Wandern. Unzufriedenheit und Ausbeutung nehmen rasant zu durch Rückfall in Feudale Herrschaftsstruckturen. Die Mächtigen sind soo Kaputt und wie soll ich sagen Dekadent Arrogant Ignorant und Mörderisch durch Ihre Gier nach mehr und immer mehr usw.
Entweder Warten und Schlucken oder Auswandern um das Warten zu verkürzen, oder Kämpfen will heisen nicht warten Handeln.Denn es ist nicht das Land was Lebenswertig ist sondern das ganze Soziale Wohlfühlen und das ist zumindest in .....schland,nicht möglich.